70 % ist der Anteil des “echten” Grundwassers an der Wasserförderung der öffentlichen Wasserversorgung in Deutschland. Das sind für das Jahr 2019 rund 3,75 Milliarden m³.
Welche Bedeutung hat Grundwasser für die Wasserversorger in Deutschland?
Eine sehr große, wie Sie an den o. g. Zahlen erkennen können. Grundwasser ist aber nicht allein aus quantitativer Hinsicht ein wertvoller Schatz. Es hat gegenüber den oberirdischen Ressourcen den Vorteil, dass es von Natur aus besser gegen Belastungs- und Schadstoffe geschützt ist und wir an vielen Stellen in Deutschland noch mit einfachen, naturnahen Aufbereitungsverfahren Trinkwasser produzieren können.
Was sind die größten Herausforderungen in Bezug auf die Grundwassergewinnung für die öffentliche Wasserversorgung?
Grundwasser hat ein sehr langes Gedächtnis. Einmal eingetragene anthropogene Substanzen lassen sich über sehr lange Zeiträume im Grundwasser nachweisen. Stoffliche Belastungen wie Nitrat und Pestizide aus der Landwirtschaft sind ein großes Thema. Hier steht im Vordergrund, die vorhandenen Belastungen zu reduzieren und vor neuen zu schützen. Zunehmend in den Fokus geraten auch synthetische Substanzen, die auf unterschiedlichen Wegen in die Umwelt und letztlich auch ins Grundwasser gelangen und nicht abgebaut werden. Ein Beispiel dafür sind per- und polyfluorierte Chemikalien wie sie bei Beschichtungen von Textilien, Küchengeräten oder Pappbechern vorkommen. Einige davon sind nachweislich gesundheitsgefährdend. Diese Substanzen sind immer mehr im Grundwasser zu finden. Die Wasserversorger betreiben einen großen technischen Aufwand, um sie bei der Aufbereitung zu entfernen. Hier wird der seit vielen Jahrzehnten bewährte Grundsatz der Vorsorge zur Vermeidung von Belastungen statt Sanierung von Schäden komplett missachtet. Der DVGW arbeitet gemeinsam mit nationalen und europäischen Partnern daran, dass EU-Chemikalienrecht zu reformieren und die Hersteller in die Verantwortung zu nehmen.
Darüber hinaus beschäftigen wir uns mit der Frage, wie sich das Grundwasser künftig nachhaltig bewirtschaften lässt. Der Entwurf des BMUV aus 2021 zur Nationalen Wasserstrategie soll noch in diesem Jahr als Strategie der Bundesregierung auf den Weg gebracht werden. Dazu gehört u. a. auch ein Konzept für eine Wassernutzungshierarchie vorzulegen. Unsere Aufgabe ist es, dieses Konzept praxistauglich zu gestalten, so dass einerseits der Vorrang der öffentlichen Wasserversorgung sichergestellt bleibt, andererseits aber berechtigte Interessen und Nutzungen Dritter nicht vernachlässigt werden. Letztendlich wollen alle Verbraucherinnen und Verbraucher das gewohnte Maß an Versorgungssicherheit beim Thema Trinkwasser auch in Zukunft gewährleistet sehen.
Welche Rolle haben die Wasserversorger im Grundwasserschutz?
Grundwasserschutz ist zunächst eine rein staatliche Aufgabe. Das gilt für den allgemeinen flächendeckenden genauso wie für den speziellen und auf Wassergewinnungsgebiete bezogenen Schutz der Trinkwasserressourcen. Die Wasserversorger unterstützen diese Aufgabe weit über das gesetzlich geforderte Maß hinaus. Sie haben nicht nur eigene Grundwassermessnetze aufgebaut und stellen die Überwachungsergebnisse den Behörden zur Verfügung. Sie kooperieren in den Wassergewinnungsgebieten auch mit der Landwirtschaft: Mit gezielter Beratung und finanziellen Anreizen zur gewässerschonenden Bewirtschaftung tragen sie so aktiv zum Grundwasserschutz bei. Eine weitere Säule ist die Regelwerks‑, Forschungs- und Berufsbildungsarbeit des DVGW, die den Stand des Wissens und der Technik im Grundwasserschutz kontinuierlich weiterentwickelt und an die Praktiker vermittelt.
Welche Rolle spielt der Klimawandel und die Anpassung daran für die Grundwassernutzung zur Trinkwassergewinnung in Deutschland?
Wir müssen uns auf häufigere und länger anhaltende Extremwetterereignisse wie Dürren, Starkniederschläge und damit verbundenen Hochwasserereignissen einstellen. In seinem Zukunftsprogramm Wasser (ZPW) bündelt der DVGW zurzeit viele Forschungs- und Entwicklungsvorhaben. Damit schafft er die Voraussetzungen für eine sichere Wasserversorgung unter Klimawandelbedingungen. Dabei stehen bundesweite Prognosen zum zukünftigen Wasserdargebot und der Grundwasserneubildung bis zum Ende dieses Jahrhunderts im Fokus. Wir brauchen diese Prognosen, um besser abschätzen zu können ob und wie wir unsere Infrastrukturen in der öffentlichen Wasserversorgung anpassen müssen. Dazu zählen auch die Gewinnungsanlagen für Grundwasser.
Berthold Niehues ist Leiter Wasserversorgung des DVGW Deutscher Verein des Gas- und Wasserfaches e. V., Bonn